Neuss. Zu stimmungsvoller großer chorischer
Abendmusik mit der „Capella piccola“ Neuss hatte die Dreikönigenpfarrei
eingeladen. „Musik aus englischen Kathedralen“ waren zu einem abwechslungsreichen
Programm zusammengestellt. Der erste Teil war gewissermaßen den Anfängen der
madrigalen Mehrstimmigkeit gewidmet, in den Dreikönigenkantor Michael Führer
(Orgel) mit „In nomine“ von John Bull und großem Renaissance-Dulzian einführte.
Die „Capella“ stand zunächst vor dem Hochaltar im Ostchor der Kirche und
machte mit einigen Motetten alter britischer Meister deutlich, dass der 1985
in Neuss gegründete Chor nichts an jugendlicher Frische und vollendeter
Klangschönheit eingebüßt hat.
In nahezu perfekter
Ausgeglichenheit harmonieren die Stimmen miteinander, auch die jungen Tenöre
und Bässe integrieren sich in die 25-köpfige Singgemeinschaft
lyrisch-wunderbar. Dazu verfügt der Chor über sichere Solisten, die im „Nunc
dimittis“ von Henry Purcell im Wechsel mit dem Tutti sangen. Lediglich der
alles überragende Sopran von Martina Lins verließ einige Male zu markant und
damit störend den homogenen Chorklang, besonders auffällig bei William Byrd‘s
„Ave verum“. Gleichwohl: Martina Lins ist als begabte und längst erfolgreiche
Sopranistin nicht nur dem Neusser Publikum bekannt. Sie bereicherte mit ihrer
umfangreichen, vor allem in den Höhen prächtigen Stimme das Programm mit zwei
Solo-Anthems, darunter „O for the wings of a dove“ von Felix Mendelssohn
Bartholdy, an der Orgel begleitet von Thomas Reuber, dem Gründer und
künstlerischen Leiter der „Capella piccola“.
Der engagierte Kölner
Kirchenmusiker hatte für den zweiten Teil ausnahmslos Werke gewählt, die
heute feste Teile des Kathedralen-Repertoires in England sind. Englische liturgische
Musik der letzten hundert Jahre ist überwiegend für Chor und Orgel angelegt,
als hymnisch, melodisch schlichte Vertonungen von Psalmen oder Texten des
„Prayer Book“. Thomas Reuber führte den Chor - nun auf der Orgelempore - mit
großem Gestus zu etlichen raumgreifenden Höhepunkten. An der Orgel begleitete
Michael Führer sicher mit mannigfaltigen Registerfarben. Im Zusammenklang mit
dem Chor entstanden so abwechslungsreiche Kirchenhymnen, und so mancher
Besucher hätte gerne „O come, let us sing“ von Antonio Piccolo wörtlich
genommen.
Bei mehreren Werken steht ein
Solosopran in Einleitung oder Oberstimme über dem Chor. Hier war Martina Lins‘
strahlender Sopran von unschätzbarem Wert, vor allem in der gewaltigen
Schlusskoloratur bei „My shepherd is Lord“ von H. Oxley. Nahezu zwangsläufig
gipfelte diese mitreißende Abendmusik in der „Evening Hymn“ des Meisters
großer Chorlieder, Sir Henry Balfour Gardiner. Ein grandioser Schlusspunkt.
Dennoch hätten die Zuhörer gerne eine Zugabe gehabt - die aber gab es nicht.
Nima